Mitgliederversammlung der Diakonie Allgäu e.V. reflektiert

exemplarisch die großen Fragen und Herausforderungen eines Sozialunternehmens in aktueller Zeit.

Im Zentrum der diesjährigen Mitgliederversammlung der Diakonie Allgäu e.V. standen sowohl im Bericht des Verwaltungsratsvorsitzenden, Nikolas Raimund, als auch im Geschäftsbericht für 2022 und dem Ausblick auf die Ziele in 2023 der Vorstände, Roland Hüber und Stefan Gutermann, der Status quo des Fusionsprozesses des Vereins sowie die gesamtgesellschaftlich großen Herausforderungen in der Pflege und der Mitarbeitergewinnung. Der Verwaltungsrat hatte in neuer Zusammensetzung seine satzungsgemäßen Aufgaben erfüllt. Er hatte sich zu insgesamt sieben Sitzungen an jeweils unterschiedlichen Standorten getroffen, um sich auf diese Weise ein persönliches Bild von der Vielfalt der diakonischen Einrichtungen im angewachsenen Verbreitungsgebiet zu machen. Denn „Das Zusammenwachsen der Diakonie Allgäu beschäftigt uns nach wie vor in vielen Bereichen und Belangen“, so Raimund. Die Fusion der diakonischen Werke Memmingen und Kempten zur Diakonie Allgäu e.V., welche am 12. Oktober 2022 über den Eintrag ins Vereinsregister offiziell markiert wurde, verlange als Verschmelzungsprozess weiter nach strukturellen Maßnahmen und Umsetzungen. Das wurde auch im Bericht des Vorstands deutlich. Vorstand Roland Hüber reflektierte dieses Thema wie folgt: „Sehr Vieles ist bereits auf diesem Weg zueinander gelungen, doch die Fusionskonsequenzen sind ein interner Auftrag, der Zeit braucht.“ Insbesondere beschäftigen hier weiter die Konsolidierung und Standardisierung von Geschäftsprozessen. Auch die Umstellung auf digitale effektive Lösungen ist eine zentrale Anforderung und Weichenstellung für die Zukunft.

Doch das Tagesgeschäft und was hierbei eben tagtäglich von den Mitarbeitenden bewirkt wird, dürfe nicht in den Hintergrund geraten. Ein Abbild dessen ist beispielsweise, dass die Diakonie Allgäu neun Auszubildende in der Pflege einstellen konnte. Das sei eine bemerkenswerte Zahl - gerade vor dem Hintergrund des eklatanten Nachwuchsmangels – und ist als wichtiges Zeichen dahingehend zu deuten, dass die Diakonie Allgäu als potenzieller Arbeitgeber offenbar vieles richtig mache und Attraktivität besitzt. Die Rückmeldung eines neuen Azubis auf die Frage, warum er hier sei, lautete: „Weil die Diakonie als Ausbildungsort und Arbeitgeber einen guten Ruf hat.“ Zudem haben drei Auszubildende ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft mit Auszeichnung, sprich als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Auch das ist als positiver Reflex zu bewerten mit Blick auf die internen fachlichen Standards und die Qualität in der Begleitung. Ebenso erfreulich stimmen die aktuellen Belegungszahlen in den stationären Pflegeeinrichtungen. Die Corona-Pandemie habe tiefe Spuren hinterlassen, doch die konzertierten Anstrengungen aller Beteiligten finden nun auch in diesem Feld ihren Niederschlag. Ein anderer Geschäftsbereich der Diakonie Allgäu befindet sich ebenfalls im Wachstum. So berichtet Roland Hüber über gestiegene Anfragen, die Trägerschaft von Kindertagesstätten zu übernehmen: „Wir sind bemüht und werden auch alle Anfragen an uns diesbezüglich prüfen.“ Man wolle jedoch mit Augenmaß und bedacht wachsen. Die Diakonie Allgäu freut sich vor allen Dingen über die erhöhte Sichtbarkeit wie positive Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.

Als zwei Meilensteine sind die unmittelbar bevorstehende Gesellschaftsgründung des Integrationsfachdienst Schwaben (IFD) einzuordnen sowie die Ausdehnung des Engagements der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) heraus aus der Stadt Kempten hinein ins gesamte Oberallgäu. Beides sind Initiativen, bei denen die Diakonie von Anbeginn mit dabei war und mit ihrer Expertise und ihren Fachkräften dazu beigetragen hat, dass nun aus diesen „Kindern“ sukzessiv erwachsene soziale Hilfsdienste geworden sind. Ebenso beträchtlich gewachsen ist der Bereich Asyl und Migration. 35 Mitarbeitende stemmen die Arbeit in diesem komplexen Feld und das trotz der oftmals nicht leichten politischen Vorgaben. Allerdings – in diesem Bereich drohen eklatante finanzielle Einschnitte hinsichtlich der Förderung durch den Bund. Die Perspektiven seien derzeit völlig unklar.

Und damit war die Überleitung zum Bereich Pflege und Betreuung gemacht – demjenigen Geschäftsfeld der Diakonie Allgäu, das hinsichtlich der künftigen Weichenstellungen die größten Fragen aufwirft. Der demographische Wandel, der Konkurrenzkampf um Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt, die steigenden Eigenanteilskosten, die immer enger werdenden Spielräume, sich Pflege überhaupt noch leisten zu können – das sind Tendenzen, die deutlich machen, dass hier Lösungen von der Stange nicht lange tragen werden. Daher hat die Diakonie Allgäu das Projekt „Pflegecampus“ ins Leben gerufen. In diesem Projekt soll die stationäre Altenpflege von den Menschen und deren künftigen Bedarfen und Anforderungen her gedacht werden. Damit stehen sowohl die architektonischen Formen des Wohnens im Alter als auch die künftigen Berufsbilder innerhalb der Pflege auf dem Prüfstand. Denn klar ist, so die Vorstandschaft, dass eine zunehmende Ausdifferenzierung unvermeidbar sei. Nicht zuletzt die große Zahl an Bewohnern, die an Demenz leiden, machen eine intensivere Betreuung erforderlich und zugleich wollen die aktiven Bewohner ohne mentale Einschränkungen bestmöglich auf ihrem Niveau abgeholt werden. Das ist geradezu ein ideeller Leistungs-Spagat, der auf dem Hintergrund von Personalmangel, erhöhtem Betreuungsaufwand kaum zu denken scheint. Doch genau deswegen habe man die Initiative „Pflegecampus“ aufgesetzt, um dieses Thema ganz grundlegend neu, inspiriert, und von der Zukunft her zu denken.

Die zahlreichen Herausforderungen sind zwar Fakten, jedoch kein Anlass, um sich den Wind aus den Segeln nehmen zu lassen oder gar zu resignieren. Vielmehr verwies die Vorstandschaft darauf, dass die Diakonie aufgrund ihrer Werte und dessen, was sie zu geben hat, darauf vertrauen kann, dass sie als starke Arbeitgebermarke ihren Platz auf dem Markt behaupten wird. „Denn die Haltung macht letztendlich den Unterschied“, fasste es Stefan Gutermann zusammen. „Als diakonisches Sozialunternehmen profilieren wir uns nicht über kurzfristige Geldgeschenke, sondern das stabile Tarifgefüge der AVR und vor allen Dingen Werte wie Verlässlichkeit, Wertschätzung, Gleichbehandlung und die Mitarbeiterförderung und -entwicklung sprechen auf lange Sicht für uns.“ Diese zahlreichen Pluspunkte gelte es künftig noch deutlicher in die Öffentlichkeit zu tragen.